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Ein Jahr USA - aus der Sicht der Eltern

Elternbericht - Sigrid und Torsten über das Schuljahr ihrer Tochter in den USA

Ein Jahr "USA Classic" ab Sommer

Einen Auslandsaufenthalt unserer Kinder haben wir schon vor Jahren ins Auge gefasst. Mein Mann und ich hatten schon immer den Wunsch, dass unsere beiden Kinder eine gewisse Zeit im Ausland leben und zur Schule gehen sollten. Das hat für uns ganz vielschichtige Gründe.

Wir haben mit unserer Tochter bereits vor circa drei Jahren darüber gesprochen und sie langsam mit unserer Idee und mit diesem Gedanken vertraut gemacht. Diese Zeit der Vorbereitung würden wir auch allen Eltern empfehlen, die ein solches Vorhaben in Erwägung ziehen. Wir bereiteten uns darauf vor, indem wir uns Informationen über diverse Austauschorganisationen beschafften, mit Eltern sprachen, die bereits Erfahrungen in dieser Hinsicht hatten und viel mit unserer Tochter sprachen. Die Zeit rückte näher. Wir hatten uns für eine Organisation entschieden und auch das Land stand für uns fest. Es sollte und musste Amerika sein.

Nachdem alle Formalitäten erledigt und die Tests bestanden waren, gab es eine lange Zeit des Abwartens. Unsere Tochter und auch wir waren neugierig, in welches Bundesland es gehen würde. Die Zeit bis dahin erschien uns noch unendlich lang. Man verdrängt den Gedanken in dieser Zeit sehr häufig, dass man sein Kind demnächst sehr lange nicht bei sich haben würde. Für uns standen die rationalen Gründe im Vordergrund, nicht die emotionalen. Irgendwie würde man das schon schaffen. Uns war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bewusst, welche emotionalen Gefühle auf einen zukommen könnten.

Dann ging die Zeit doch sehr schnell. Das Schuljahr neigte sich dem Ende entgegen. Im Juni bekamen wir dann die Nachricht, dass unsere Tochter in den Südosten (North Carolina) gehen würde. Wir waren erleichtert, dass unsere Tochter bereits einen definitiven Platz in einer Familie zugewiesen bekam und wussten, wohin es ging. Jetzt waren es noch sechs Wochen bis zum Abflugtermin. In dieser Zeit wurden dann noch restliche Arzttermine vorgenommen, Geschenke besorgt und ähnliches und die Zeit bis zum Abflug erschien uns noch immer weit weg.

Drei Tage vor dem Abflugtermin ging das Gefühlschaos los. Ich, als Mutter, stand völlig neben mir und stellte mir die Frage, ob die Entscheidung wirklich die Richtige war, sein Kind fast ein Jahr ins Ausland zu geben, zu Menschen, mit denen man bisher lediglich korrespondiert hatte, die man nicht persönlich kannte. Tausend Fragen quälten mich in dieser Zeit und ich war mir sicher, hätte ich im Vorfeld gewusst, dass es so schmerzlich sein würde, ich hätte diese Entscheidung nicht gefällt. Aber nun war es beschlossene Sache und ich musste da durch.

Auch meiner Tochter fiel der Abschied unendlich schwer. Rational war ich immer noch der Meinung, unsere Entscheidung ist richtig, aber emotional stand ich völlig neben mir. Der Abschied auf dem Flughafen war für unsere gesamte Familie extrem schwierig und rief in uns allen Emotionen wach, die wir bis dato nicht kannten.

Wann trennt man sich freiwillig für eine so lange Zeit von einem Familienmitglied? Eine Erfahrung, die wir zu diesem Tag noch nie gemacht hatten. Als wir nach Hause kamen, das leere Zimmer vorfanden und uns bewusst wurde, dass wir unsere Tochter nun fast ein Jahr lang nicht sehen würden, nicht mitbekamen, wie sie sich weiterentwickelte, sie sich nicht mehr in unserer Obhut befand, rief in uns Eltern ein Gefühlschaos hervor.

Erst der erste Anruf aus Chicago, dass sie gut angekommen sei und es ihr gut ginge, schaffte ein wenig Erleichterung. Ihr zweiter Anruf bereits aus dem Hause der Gastfamilie sorgte für weitere Entspannung.

Die ersten Wochen ohne unsere Tochter waren sehr schwer. Doch das Bewusstsein, dass es ihr in Amerika gut gefällt, sie in einer netten Familie aufgenommen wurde, linderte unseren Schmerz.

Nun ist unsere Tochter bereits über sechs Monate fort und unser Heimweh hält sich in Grenzen. Aus der heutigen Distanz betrachtet, war die Entscheidung, unsere Tochter ein Jahr ins Ausland zu geben, völlig in Ordnung. Nur die emotionalen Aspekte haben wir völlig unterschätzt. Sicherlich wird eine Trennung in jeder Familie ganz unterschiedlich wahrgenommen. Doch ist eine Auseinandersetzung und gute Vorbereitung mit dieser Thematik auf jeden Fall im Vorfeld sehr hilfreich und sollte vielleicht schon vom Ansatz her in den ersten Gesprächen mit der Organisation bedacht werden.

Wir möchten Eltern, die ihr Kind ebenfalls für ein Jahr "loslassen" möchten, mit diesen Ausführungen helfen, sich bereits im Vorfeld darüber klar zu werden, dass es Emotionen unterschiedlichster Art hervorrufen kann, die man dann auch bewältigen muss. Man bringt nämlich als Eltern ein ziemlich großes Opfer, ein Jahr auf sein Kind zu verzichten, ein Jahr Entwicklung nicht mitzubekommen und trotzdem... wir glauben, es hat sich gelohnt und hoffen, dass es für die Entwicklung unseres Kindes nur förderlich war.

An dieser Stelle möchten wir "KulturLife" unseren Dank für die hervorragende Organisation, die vorzügliche Betreuung vor Ort und den reibungslosen Ablauf aussprechen.

Sigrid und Torsten